Zuckergeist
 

 

Unterm Birnbaum
(am Dornbusch)

In meinem Garten steht gen Westen
karg ein Birnbaum arm an Ästen.
Doch im Schatten seiner Krone
sitze ich wie auf dem Throne.

Gleich in einem Paradiese
steht in voller Pracht die Wiese.
Meines Baumes alter Blick
sieht darauf erneut zurück.

Morsch und brüchig sind die Glieder,
neben ihm blüht jung der Flieder,
doch die Weisheit die er spendet,
legt in Schatten was mich blendet.

Unter seinem Blätterdach
ist mein Geist erhellt und wach,
aller Büsche spitze Dornen
fallen ab das Glück zu spornen.

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.... oder übermorgen

Morgen backen wir ein Brot,
Für die die verhungern,
Sie sollen satt zu essen haben;
Morgen backen wir das Brot,
Morgen oder übermorgen.

Morgen weben wir ein Tuch,
Für alle die weinen,
Sie sollen ihre Tränen trocknen;
Morgen weben wir das Tuch,
Morgen oder übermorgen.

Morgen knüpfen wir ein Netz,
Für die, die ertrinken,
Wir wollen sie ans Ufer ziehen;
Morgen knüpfen wir das Netz,
Morgen oder Übermorgen.

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- wie beginnender Regen -

Mussten sie sein, diese Jahre,
Vergeudet, verblutet, verloren?
Entfesselte Dämonen
Erwachten und lachten,
Leise erst wie beginnender Regen,
Lauter und lauter wie klatschende Wogen,
Ihr Gelächter wurde zur Sintflut.
Hoffnung versank darin,
Atem ertrank in ihr,
Starb das Erbarmen.
Nach der Sintflut, was blieb?
Ein Schiffchen, zwei Menschen,
Ein wenig Getier.
Hoffen wollen sie,
Atmen und lieben.
Herden werden sie wieder,
Weidende, schaffende, neidende.
In hellen Stunden
Sind dunkle vergessen,
Vergessen.
Im Dunkel leben Dämonen,
Sie lachen leise, ganz leise –
Wie beginnender Regen.

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Lawine

..... Und war doch nur die Handvoll Schnee,
Dem Bruder ins Gesicht geworfen
Im Zorn.
Sie stürzt zu Tal,
begräbt den Acker unter sich
Und ächzend bricht die Brücke.
.....Und war doch nur die Handvoll Schnee.

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Teich

Rühr’ nicht im Teich,
Der friedvoll in der Landschaft träumt.
Nichts treibst Du empor, als Unrat,
Verbeulte Eimer,
zerbrochene Krücken,
Verweste Stiefel,
Blech und Scherben.
Das traute Konzert der Frösche
Verwandelt sich zum Weherufen.
Rühr nicht im Teich.

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Heimchen

Wir wohnen im Elfenbeinturm,
Zierlich geschnitzt,
Lächeln uns an,
Reichen einander liebend die Hände.
Fröhlich zwitschert auf gedrechselter Stange
Der gelbgoldene Kanari.
Wir lassen die Fenster geschlossen,
Wir schauen nicht hinaus,
Wir mögen keinen Sturm,
Der Blätter fegt
Und Bäume fällt.
Wir sitzen drinnen und lächeln
Und glauben am Ende,
Wir hätten gelebt.

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Der Daoist

Das Gras, es wuchs nicht schnell genug,
Da hab ich dran gezogen.
Doch statt zu wachsen ging es ein,
Ich fühlt’ ich war betrogen.

Das Unkraut wuchs mir gar zu schnell,
Da hab ich es zertreten.
Doch ging’s nicht ein, es wurde groß,
Mir blieb nichts als zu Beten.

Die Rose war nicht rot genug,
So ließ ich sie denn bluten.
Doch Ihre Farbe ward fast schwarz,
Wie Kohle in den Gluten.

Die Nacht, sie war nicht hell genug,
Ich hab mich ihr ergeben.
Die Finsternis, sie schwand im Licht,
Da fing ich an zu leben.

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Der Schäfer

Die Wolle, sie wärmt den Schäfer.
Der Schäfer, er wärmt die Braut.
Die Braut, sie wärmt das Kindlein,
und dieses das Lämmelein fein.

So sind doch alle verbunden,
in einem steten Kreis.
Nur glücklich ist der Schäfer,
Der um die Regel weiß.

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Mein Freund

Ein Häschen ist mein bester Freund,
hat immer für mich ein Ohr.
Ich sabbere, dran, ich schnuffle dran,
sieht aus wie ein armer Tor.

Doch alles weiß er, was ich ihn frag,
und sei es noch so schwer.
Magister ist er, Doktor, nicht,
Als ob das wichtig wär.

Ich bin ein Kind und weiß viel mehr,
als alle die Gelehrten,
wenn ich nur meinen Hasen frag’,
den treuesten Gefährten.

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Farbspiel

Weiß war die Robbe,
So weiß wie Schnee,
Schwarz war die Schlehe,
So schwarz wie Tee.

Grün war die Weide,
So grün wie Klee,
Rot war das Kleide,
So rot wie Gelee.

Rot war die Robbe,
So rot im Weh.
Weiß war die Schlehe,
Bedeckt vom Schnee.

Schwarz war die Weide,
Und tot das Reh,
Grün ward das Kleide,
versunken im See.

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Bescheidenheit

Zum Kriechen verdammt,
nicht Fuß, nicht Hand,
gleitet er fort,
ganz ohne Gewand.

Von Gottes Hand ward er gemacht,
Von seinem Geiste auch erdacht.
Wer sagt, dass er nicht glücklich ist,
Er kennt doch nur den Duft von Mist.

Er fühlt sich wohl im Regenguss,
Er findet dort den Hochgenuss.
Und wird er mal in zwei geteilt,
ein zweites Würmchen bei ihm weilt.

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Der Köhler

Schwarz ist der Köhler,
Schwarz sein Gesicht,
Hände und Arme,
man sieht sie nicht.
Schwarz ist sein Hut,
Die Augen verdunkelnd,
Rauch geht gen Himmel,
die Kohlen funkelnd.
Der Rauch, -
Er fängt den Atem ein,
Färbt schwarz die Lungen,
Dringt tief ins Gebein.
Bist Du es Tod,
der hier sich zeigt,
Der Hauch de Lebens
Sich verneigt?
Die Hitze gleicht der Höllenglut,
doch sag; Dein Herz –
Strömt darin Blut?
Tektiten zeigen Deinen Blick,
Ein schwarzes Loch –
Kein Weg zurück.

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Verpasst

Kennst Du Gott, den alten Mann,
Man sagt wohl, dass er alles kann.
Hast Du ihn denn schon mal gesehen,
Man fänd’ ihn im Vorübergeh’n.

Kennst Du Gott, und seinen Sohn,
man sagte, dass er bei Dir wohn’.
Ich habe ihn noch nie getroffen,
Ich war wohl auch zu oft besoffen.

Kennst Du Gott und diesen Geist,
Man sagt, dass er auch „heilig“ heißt.
Was Glück verheißt kommt nicht zu mir,
bleibt immer draußen vor der Tür.

Ach habe ich’s Dir schon erzählt,
Mein Sohn hat sich ja frisch vermählt.
Die Tochter trägt nen Knaben aus,
Ich halt mich aus den Dingen raus.

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Der Spiegel

Ist Hass nicht Liebe, umgedreht,
Ist Schmerz nur Heil nicht, weil er geht?
Ist Sünde nicht verpasster Segen,
Ist Armut nicht des Reichtums wegen?

Ist der Teufel nicht auch Gott, gefallen,
Ist nicht die Masse entstanden aus Allen?
Ist nicht die Hölle dem Himmel gespiegelt,
Ist Lüge nicht die Ehrlichkeit, verriegelt?

Alles ist Eins -  von der anderen Seite,
Dazwischen liegt nichts-  und unendliche Weite.
Das Eine wär ohne das andere nicht,
Das Eine erst gibt dem Andren Gesicht.

Genauso verhält es sich umgekehrt,
Das Andere stets auch das Eine vermehrt.
So wie eine Kugel kein hier hat, kein dort,
So trifft eins das andre in einem Fort.

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Die Raupe

Die Raupe saß auf einem Blatt,
und fraß sich kugelrund und satt.
Sie legte sich an einen Baum,
und viel in einen tiefen Traum.

Sie sei in einem fernen Land
und trug ein wunderbar Gewand.
Sie konnte über Felder fliegen,
und sanft sich in den Lüften wiegen.

Sie wollte nicht mehr Raupe sein,
die einsam kroch tagaus tagein,
sie wollte ferne Reisen machen,
dem Sonnenschein entgegenlachen.

Da traf sie eine gute Fee,
Die saß auf einem Blättchen Klee.
Sie machte eine Zauberei,
und spann die Raupe in ein Ei.

Nach Vergehen des Winters, des kalten,
sollte die Raupe sich endlich entfalten.
Als hoch die Sonne am Himmel hing,
da ward die Raupe zum Schmetterling.

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Winternacht

Der Mond erhellt die schneebedeckte Wiese,
Von fern scheint der Berg als weißer Riese.
Die Tannen sie winden sich unter der Last,
Bei Zeiten da knackt es, und es bricht ein Ast.

Die Landschaft liegt schlummernd im kalten Weiss,
Der See ist bedeckt von dickstem Eis.
Die Zapfen sie hängen wie blitzende Schwerter,
Als sei’n sie des Winters treueste Wärter.

Doch drinnen im Hause am Kamin,
Da liebt der Schäfer die Schäferin,
Das Feuer im Leibe des liebenden Paares,
Ist heiß wie die Sonne zur Mitte des Jahres.

Und tief in den Augen der beiden erglüht,
Der Kelch einer Blume, die Frühjahrs erblüht.
Daraus trinken beide der Liebe Glut,
Und wärmen im Herzen der Liebenden Blut.

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Sonett

Die Not erst gibt den meisten Dingen,
und auch dem Glauben, ihren Raum.
So auch dem Stamm am Gipfelsaum,
er ist berufen Lob zu singen.

Der Mangel lässt das Leben ringen,
sucht Gottes Liebe sich im Traum.
Den innren Reichtum sucht der Baum,
Und dieser Reichtum lässt ihn klingen.

Der Stamm, der Gott am nächsten steht,
und singend ihm entgegengeht,
des Leidensstunden sind gezählt.

So wird die ärmste Seel’ erwählt,
die sich in Liebe Gott vermählt,
durch ihn zu schwingen als Klang im Gebet.

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Die heilige Schrift

Dornen trägt der Rosenkranz,
Den eine Hand dreht,
Die als Märtyrer in den Krieg geht.

Splitter hat das Kreuz,
Das eine Hand hält,
Hinter der sich stolz die Brust schwellt.

Macht und Stolz, die alten Krieger,
Stehen Gottes Wort zuwider.
Heilig ist allein die Schrift,
In der das Wort die Liebe trifft.

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Ornithologe

Da hab ich Ornithologie recht eifrig studiert,
Zu wissen wie ein Vogel wohl ein Küken gebiert,
Es schält sich einfach selbst aus der gelbweißen Schale,
So hilft es der Mutter und wird ihr nicht zur Quale.

Doch neulich begegnete mir ein Riesenvogel,
Es war in dem sehr kleinen und hübschen Ort Kogel,
Der war fast so groß als wie ein schneebedeckter Berg,
Ich selbst war so klein dagegen wie ein armer Zwerg.

Der große Vogel hatte keinen echten Schnabel,
Auf der Nas' saß ein Turm so hoch wie der zu Babel.
Sein Federkleid war nicht aus Federn ehr aus Leder,
Da griff ich gleich ihn festzuhalten zu der Feder.

Ich zeichnete ihn und bin daher jetzt sehr berühmt,
Und bin voll von Stolz  und sage es ganz unverblümt,
Die Menschen, sie machen wohl nicht ihre Augen auf,
Sie nehmen eine Maus als Elefanten in Kauf.

Oder sie denken ein Nashorn schlüpfe aus dem Ei,
Den meisten Banausen ist das wohl eh Einerlei.

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Komische Vögel - der Ornithologe 3

Ich habe in Kogel  auch andere Vögel gesehen,
Vornehmlich komische Vögel, die auf zwei Beinen gehn'.
Vögel die sich präsentieren wie aus dem Ei gepellt,
Eine Rasse, die mit Raketen in die Höhe schnellt,

Aller Flügel bar versucht diese sich zu erheben,
Will weit über allen Geschöpfen und Dingen schweben.
Diese Vögel machen weit und gern auf ihren Schnabel,
Und raus kommt nicht mehr als  das dumme Geschwätz von Babel.

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Himmel und Erde

Wie sehr hat der Himmel die Erde geliebt,
Dass über ihr Sterne als Blumen er siebt'.
Wie sehr haben Himmel und Erd sich vereint,
Dass sie sich befruchtet, wenn er einmal weint.

Wie eng liegen Himmel und Erd' beinander,
Wenn ich ihre höhechsten Gipfel bewander'.
Wie deutlich sind Himmel und Erde verbunden,
Denn dieser Verband heilt all ihre Wunden.

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Geldmacht

Geld ist wichtig
das ist richtig
Geld ist nichtig
doch gewichtig.

Geld richtet.
Geld gewichtet.
Geld vernichtet.
doch dichtet Geld?

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Dichterglück

Wie schnell sind Gedanken verflogen,
sie blitzen durch Wolken wie Licht,
das fest in das Dunkel verwoben,
die Wolkendecke durchbricht.

Der Geist versucht zu ergreifen,
was Gott ihm von oben geschickt,
nur kurz ward dem Dichter, dem reifen,
ins sehnende Antlitz geblickt.

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Procrastinatio

Jetzt oder nie musst Du es wagen
Nur das Genie darf es vertagen.
Morgen, irrst Du, ist kein Tag,
den zu greifen man vermag.

Heute musst Du ihn ergreifen,
morgen braucht er Zeit zu reifen,
Wenn die Morgen gestern sind,
merkst Du erst, dass Zeit verrinnt.

Tage, die dahin geflossen,
werden in Zement gegossen,
Gras wächst irgendwann darüber,
und das Leben ist hinüber.

Lass darauf den Garten blühen,
der stets zeugt von dem Bemühen,
dass das Leben Früchte trägt,
die zu ernten man erwägt.